Hallo, ich bin verloren

WanderingSoul · Sexualität: keine Angabe

Hallo lieber Mensch in diesem Forum,
ich wende mich heute an dich, weil ich eine Verzweiflung in mir spüre, an der ich fast zu ersticken drohe.
Das ist mein erster Kontakt den ich zum Thema Sexualität in irgendeiner Form suche und ich hoffe daher auf eine wohlwollende Haltung mir gegenüber, falls ich nicht die richtigen Worte finde oder andere Fehler mache.
Das wird vermutlich eine Menge Text, weil sich in mir vieles angestaut hat, aber es bedeutet mir viel, wenn du dir die Zeit nimmst meine Geschichte zu lesen.

Hier eine Gedankenstütze für mich, was ich hier niederschreiben möchte:
- kurzer Background
- aktuelle Sexualität (etwa ab 19 Jahre bis heute Ende zwanzig)
- Meine Fragen

kurzer Background
Ich habe mich im Laufe meines Lebens gefragt, was mir wirklich wichtig ist. Was das eine ist, was ich brauche, damit ich Erfüllung erfahre.
Und meine Antwort darauf ist, ich möchte eine Bindung, die grundsätzlich etwas "unendliches" hat.
Deswegen ist es auch das, was ich geben möchte. Ich wünsche mir, einem Menschen ein loyaler Vertrauter zu sein. Eine Verbindung zu schaffen, die sich nicht durch Zeit, physischer An- oder Abwesenheit oder andere Faktoren beeinflussen lässt.
Für mich ist eine Bindung, die nur "bis dass der Tod uns scheidet" ist, nicht genug - für den Fall, dass danach noch etwas kommt, dann entscheide ich mich auch dann wieder für diese "Seele" (vielleicht auch nicht mehr in menschlicher Form). Das klingt erstmal etwas esoterischer als es für mich wirklich ist, ich sehe das eher logisch. Ich gehe keinen befristeten Vertrag ein, ich binde mich.

aktuelle Sexualität
Für mich bedeutet wahre Bindung, dass alles, was für mich intim ist, nur diesem einen Menschen gehört.
Es gibt keine Geheimnisse, egal wie unangenehm mir etwas ist, wie sehr ich wünschte ich könnte es ungeschehen machen oder für immer begraben - es ist passiert. Und dieser Mensch wird es über mich wissen.

Bin ich in der Lage, andere Personen anzusehen und zu sagen, ob ich sie nach meinen Maßstäben optisch schön finde? Ja, das kann ich bei allen Geschlechtern. Finde ich diese Personen sexuell anziehend? Überhaupt nicht.
Für mich entsteht sexuelle Anziehung durch Empathie, wertschätzende Taten und dem Wunsch, über viele Facetten des Lebens nachzudenken und sich zu fragen, auf welche Geschichte man zurückblicken möchte, wenn man irgendwann seinen letzten Atemzug nimmt.
Warum tue ich was ich tue? Wem tut das gut? Entspricht mein Handeln dem, wer ich sein möchte für mich selbst und meine Mitmenschen?
Das gilt natürlich nicht nur im sexuellen Kontext, aber für mich eben auch hier.

Ich empfinde außerdem die ganze Übersexualisierung im Alltag als aufreibend. Ich frage mich: Entweder Nacktheit ist grundsätzlich etwas normales, dann runter mit den Klamotten und niemanden interessiert es. Oder Nacktheit ist an sich schon etwas intimes und soll nur in intimen Momenten geteilt werden. Aber dieses "Sex sells" finde ich wirklich störend. Ich soll deine Brötchen für 80 Cent kaufen, hab ich verstanden, aber warum ist auf dem Plakat eine halbnackte Frau? Gibt's die auch so günstig dazu? Was soll denn so ein Mist?
Ich verstehe, dass das im ersten Moment meinen Blick fängt, aber das was bei mir hängen bleibt ist absolut nicht positiv für den Werbenden.

Pornographie im herkömmlichen Sinne konsumiere ich gar nicht mehr. Ich empfinde das aufgrund meiner Einstellung als nicht wertschätzend der anderen Person gegenüber.
Ich möchte zeigen, dass ich mich in allen Aspekten für sie entscheide und dazu gehört auch das Gefühl Lust, das ich für mich als intim einstufe. Das schließt auch Gedanken mit ein. Ich habe jemanden, der mich erfüllt und den ich in jeder Hinsicht begehre - weshalb sollte ich dann an andere oder Fremde denken oder sie mir ansehen? Das gleiche gilt für mich auch für bewusste Gedanken.
Achtung, hier ein etwas detailierter Abschnitt
Wenn ich an das Gefühl denken kann, dass mir diese Person gibt, warum sollte ich dann lieber Fremde Leute dabei ansehen? Am besten noch mit Pillen, damit der Mann überhaupt beim Dreh kann, die Frau das wegen dem Geld und nicht aus Lust macht, an der alles operiert ist und am Ende nicht mal die Körperflüssigkeiten echt sind.
Abschnitt Ende
Das gleiche gilt für mich auch für bewusste Gedanken.
Anders empfinde ich es bei Träumen und unterbewussten oder flüchtigen Gedanken, die man nicht kontrollieren kann.

Ich erlebe mich selbst als sexuell sehr angepasst an meinen "Menschen der Begierde", ich möchte jeden Tag wenn der andere das möchte und kann mein restliches Leben auch nie wieder etwas sexuelles tun. Ich genieße es, aber ich brauche es nicht. Würde derjenige beispielsweise von heute auf morgen krank werden und könnte keine gemeinsamen sexuellen Handlungen vornehmen, dann hat sich das eben erledigt. Es gibt so viele erfüllende Dinge, die man unternehmen oder sich gegenseitig sagen kann, da fällt das nicht ins Gewicht.

Zu dem Thema könnte ich noch ewig weiterschreiben und sicher habe ich auch vieles vergessen, wenn ich das morgen nochmal lese, aber ich denke, ich kann bestimmt noch das eine oder andere ergänzen.

Gibt es da draußen jemanden, der das auch so empfindet? Ich komme mir mit dem was ich so im Internet lese vor wie ein Alien.
"Klar denkt man beim Sex auch an andere" - "Klar finde ich auch andere Menschen sexuell anziehend" - "Es ist ja nur Lust, der Mann muss sein Gene eben streuen, da kann man sich zurückhalten, aber der Impuls ist immer da"

Ich verstehe das alles nicht und es macht mich unendlich traurig.

Vielen Dank für deine wertvolle Zeit, danke für's Lesen. Wirklich.
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Ich freue mich über jeden respektvollen Austausch - gerne einfach anschreiben!

Arpad4 · Alter: 45 Sexualität: Asexuell

Willkommen bei uns im Forum WanderingSoul@

Ja es gibt solche Menschen. Es sind Demisexuelle. Das ist was mir bei dein Text einfällt. Demisexuelle haben ein sehr tiefes Empfinden. Ihre Liebe kann in ihre Beschreibung auch geistige und mystische Elemente enthalten.

https://aktivista.net/links/demisexualitaet-eine-orientierungshilfe-flyertext/

Vielleicht hilft dir das weiter.
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Das Leben kann schön sein. Wenn man es will, und sich der Schönheit selber öffnet.

dewayne · Alter: 36 Sexualität: Asexuell

Herzlich Willkommen.

WanderingSoul · Sexualität: keine Angabe

Arpad4 · Alter: 45 Sexualität: Asexuell

WanderingSoul@

Ich bin fast 8 Jahre hier im Forum. Am Anfag habe ich selber gedacht, dass ich demisexuell bin. Aber mit der Zeit habe ich rausgefunden, dass ich doch asexuell bin. Dein Text, hilft mir auch heute das zu erkennen.

Aber es ist für mich schon interessant, was es alles gibt. Diese tiefe Empfindungen kenne ich auch, aber sind bei mir nicht sexuell. Ich kann eine Frau nicht "begehren" so wie du es oben beschrieben hast mit (mit Begehren). Das habe ich schon festgestellt. Verliebt habe ich mich auch noch nie.

LG und ein schönen Abend. Wink

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Das Leben kann schön sein. Wenn man es will, und sich der Schönheit selber öffnet.

Blumenstrauss · Sexualität: Asexuell

Hallo WanderingSoul,

ich habe deinen Beitrag mit Interesse gelesen. Die genaue Definition zum Thema Demi ist mir erst jetzt bewusst geworden. Ich habe hierzu einen Auszug aus dem Internet eingefügt:

"Asexuelle Personen können in romantischen Beziehungen sein und sich zu dem*r Partner*in nicht sexuell hingezogen fühlen. Demisexuell auf der anderen Seite heißt, dass Personen sehr wohl (sexuelle) Anziehung verspüren – aber nur Menschen gegenüber, mit denen bereits eine starke emotionale Bindung besteht."

Zum Verständnis finde ich diese Erklärung ganz gut.

Der nervige Hype rund um die sexualisierte Werbung ist mir auch zuwider. Es geht vielen so. Allerdings ist mir klar, dass ich mich in einer konservativeren Gesellschaft (wo das Thema nur hinter vorgehaltener Hand besprochen wird) als Asexuelle nicht besonders wohl fühlen würde.

Wir Asexuelle sind die Ausnahme in der Gesellschaft, daran wird sich auch nichts ändern.

Viele Grüße
Blumenstrauss